Wie viele Menschen heute noch in der Niederlausitz sorbisch sprechen, ist nicht bekannt. Da viele ältere Menschen darunter waren, ist anzunehmen, dass es inzwischen weniger sind. Gleichzeitig wächst in letzter Zeit wieder das Interesse an der Sprache, was z.B. daran deutlich wird, dass die Sprachkurse der Šula za dolnoserbsku rěc a kulturu/Schule für niedersorbische Sprache und Kultur in Cottbus/Chóśebuz immer wieder neue Teilnahmerekorde verzeichnen oder erste Eltern wieder damit beginnen, Sorbisch in der Familie zu sprechen.
Mutmaßlich im 7. Jahrhundert begann der westslawische Stamm der Lusitzi die heutige Niederlausitz zu besiedeln und brachte damit auch die Sprache in die Region, die wir heute als „Sorbisch“ oder „Wendisch“ bezeichnen. In der bäuerlich geprägten Lausitz wurde die Sprache über viele Jahrhunderte alltäglich genutzt. Mit der Erfindung des Buchdrucks ab dem 16. Jahrhundert entwickelte sich über die Herausgabe von Bibeln, Gesangsbüchern und Psalmen eine eigenständige, vom Obersorbischen abgrenzbare Schriftsprache. In der Zeit der preußischen Herrschaft gab es in einigen Gegenden bereits erste Maßnahmen, die den Gebrauch des Sorbischen einschränken sollten.
Wie viele andere europäische Minderheitensprachen wurde auch die sorbische Sprache im 20. Jahrhundert aus immer mehr Bereichen zurückgedrängt. Kirche, Staat und Wirtschaft setzten auf deutsche Einsprachigkeit. Wendisch galt als unmodern. Die Nationalsozialist:innen versuchten nach ihrer Machtergreifung zunächst, sorbische Strukturen wie beispielsweise die Domowina für ihre Ziele zu vereinnahmen. Aus dem Widerstand der Sorben/Wenden folgten 1937 schließlich Tätigkeitsverbote für die meisten sorbischen Organisationen und die öffentliche Nutzung der Sprache wurde stark eingeschränkt – zum Beispiel, indem sorbischsprachige Pfarrer oder Lehrer in deutschsprachige Gebiete versetzt wurden und umgekehrt. Zur Germanisierungspolitik gehörte auch, zahlreiche Orts- und Flurnamen einzudeutschen.
Ein großer Teil der sorbischsprachigen Bevölkerung entschied sich angesichts der Diskriminierung und Repressalien, aber auch, weil Mehrsprachigkeit als schädlich oder Sorbisch als veraltet angesehen wurden, dafür, die sorbische Sprache nicht mehr aktiv an die eigenen Kinder weiterzugeben. Nach Kriegsende gab es Bemühungen, die Sprache durch die Einführung von Schulunterricht an die jüngeren Generationen zu vermitteln. Die Möglichkeiten, außerhalb der Schule Sorbisch zu sprechen, wurden jedoch immer weniger. Schließlich wirkten sich auch die Umsiedlungsmaßnahmen im Zuge der Kohleförderung negativ aus, da einstige Sprecher:innengruppen innerhalb eines Ortes zerrissen wurden.
Ende der 1990er Jahre wurde nach bretonischem Vorbild das Witaj-Modell an Kindergärten (und später auch Schulen) der Region eingeführt. Und obwohl bereits einige Tausend Kinder im Rahmen der bilingualen Bildung die sorbische Sprache erlernen konnten, bleibt der erhoffte Aufschwung der Sprachnutzung aus. Unsere technologiegeprägte und globalisierte Welt stellt die Sprache vor neue Herausforderungen: Kak móžomy ako rěcna zgromadnosć zwězane wóstaś, gaž geografiska distanca mjazy nam pśecej wětša buźo? Kak móžomy wjeliku licbu nowych słowow, kenž trjebamy, mejstrowaś?